Nach dem äußerst tollen Feedback zum 1. Teil unseres Blogs rund um das Thema Tierschutz und Fiakerei, gibt es nun den 2. Teil mit vielen weiteren spannenden Mythen aus dem Traditionsgewerbe. Auch für diesen Artikel gilt: Wer hinschaut und sich informiert weiß, dass Fiakerei und Tierschutz absolut kein Widerspruch sein müssen – ganz im Gegenteil. Lass uns also gemeinsam ein paar der gängigsten Mythen und Missverständnisse zu diesem Thema genauer unter die Lupe nehmen!
MYTHOS #1: DAS GEHEN AUF DEM ASPHALT RUINIERT DIE GELENKE DER PFERDE.
Zugegeben, das ist wohl eine der am häufigsten gestellten Fragen mit denen wir konfrontiert werden. Umso mehr liegt es uns am Herzen, dass wir diesen Mythos “aufbrechen” und beseitigen können.
Tatsächlich ist es so, dass der Asphalt für die Pferde nicht mehr Gelenk-belastender ist als jeder ander Untergrund. Ganz das Gegenteil ist sogar der Fall – Pferde die zum Beispiel auf weichem oder ungleichmäßigem Untergrund laufen, sind durchaus höheren Belastungen ausgesetzt. Doch warum solltest du das jetzt glauben?
Nun ja, die Sache mit der Gelenks-Belastung ist im Prinzip sehr ähnlich wie bei uns Menschen. Wenn wir beispielsweise im Wald auf unebenem Gelände spazieren, ist das für unsere Füße, Gelenksbänder und Sehnen weitaus anstrengender als wenn wir auf Asphalt gehen. Denn die Unebenheiten im Boden müssen dauerhaft von unserer Muskulatur, den Sehnen und Bändern ausgeglichen werden. Genau aus diesem Grund hat der Mensch dann auch irgendwann so etwas wie Wanderschuhe oder Sportschuhe erfunden, eben um solchen zusätzlichen Belastungen besser vorzubeugen. Das selbe gilt auch für unsere Pferde! Solange wir im gewohnten (Schritt)Tempo unterwegs sind, können die Pferde den Huf immer gleichmäßig auf den Asphalt aufsetzen ohne dabei die Gelenke großartig belasten zu müssen.
Was völlig anderes wäre es allerdings, wenn unsere Pferde sportliche Höchstleistungen bringen müssten, wie etwa Trabrennpferde oder Sprungpferde. Diese Pferde tragen dann zur Unterstützung zumeist Bandagen an den Gelenken, da sich diese einerseits auf weichem, unregelmäßigen Untergrund bewegen und andererseits schnelle und kraftvolle Bewegungen ausführen – daher sieht man diese Bandagen bei Fiaker-Pferden in der Innenstadt eher selten.
Interessanter Fakt: Die meisten Fiakerpferde werden tatsächlich durchschnittlich älter als wilde Pferde oder Sportpferde, was unmittelbar mit der körperlichen Belastung zusammenhängt.
Bandagen bei Pferden, Quelle: www.equiva.com
MYTHOS #2: PFERDE TRAGEN SCHEUKLAPPEN DAMIT SIE DEN VERKEHR AUSHALTEN.
Diesen Mythos ist ebenfalls einer der wohl am weitesten verbreitetsten Mythen überhaupt. Wer daran geglaubt hat, den müssen wir leider enttäuschen.
Die Scheuklappen haben absolut nichts mit dem Verkehr zu tun. Denn selbst wenn die Pferde durch die Scheuklappen nicht zur Seite sehen können, würde das nichts daran ändern, dass Pferde ihr Umgebung vor allem über bio-energetische Ströme und über das Hören wahrnehmen. Sie hören ohnehin Autos, Straßenbahnen und Co. weit bevor diese in ihrer Nähe sind.
(Wie das genau mit dem Verkehr und den Pferden ist, kannst du natürlich auch jederzeit im 1. Teil des Blogs nachlesen)
So wird in der Kurve korrekt gewendet. Dabei sollte bei der Ausfahrt aus der Kurve das rechte (äußere) Pferd nun mehr ziehen als das innere Pferd. Daher hat es von unserem Co-Founder Marco das dementsprechende Kommando bekommen.
Doch warum gibt es dann also diese komischen Scheuklappen? Fakt ist, dass es die Scheuklappen (auch genannt: Augenklappen) bei Pferden schon weitaus früher gab, als Autos oder ähnliche Verkehrsmittel. Die Scheuklappen finden ihren Ursprung im traditionellen Doppel-Gespann fahren. Dabei fährt man wie auch heute noch bei den Fiakern mit 2 Pferden vor der Kutsche, wovon eines links und das andere rechts vor die Kutsche gespannt ist. Dementsprechend erfordert dieser Fahrstil eine hohe Aufmerksamkeit und gutes Können des Kutschers, da dieser beide Pferde gleichzeitig führen muss. Der Kutscher muss vor allem ausreichend mit den Pferden kommunizieren und ihnen die notwendigen Kommandos für die vorgesehenen Manöver geben. Oft passiert es dann, dass die Pferde nicht im selben Rhythmus gehen oder ungleichmäßig ziehen. Um diese Unregelmäßigkeiten auszugleichen und um gezielte Peitschenhilfe auszuüben, hat der Kutscher dann seine Peitsche, mit der er den Pferden Kommandos geben kann. Damit dieser aber auch jedem einzelnen Pferd Kommandos geben kann, ohne dass das andere Pferd davon mitbekommt, gibt es die Scheuklappen. Die sind also schlichtweg dazu da, dass das linke Pferd nicht mitbekommt, was das rechte Pferd macht (oder machen soll) und umgekehrt. Vor allem in Kurven ist es total wichtig, dass die Pferde unterschiedlich angesprochen werden.
MYTHOS #3: PFERDE DIE AUS DEM MUND SCHÄUMEN SIND DURSTIG UND AUSGELAUGT.
Diese Anschuldigung nehmen wir mittlerweile sehr gelassen. 🙂 Wenn du selbst mit Pferden zu tun hast, dann weißt du ebenfalls, dass diese Behauptung nicht stimmt. Das schäumen vor dem Mund der Pferde bedeutet weder, dass sie durstig sind, noch dass sie ausgelaugt oder ausgebeutet sind – auch Tollwut haben die Pferde nicht. Also kein Grund zur Sorge.
Kurz zusammengefasst: Der Schaum vor dem Mund eines Pferdes ist eigentlich ein gutes Zeichen und bedeutet, dass sich das Pferd wohl fühlt, körperlich fit ist und der Biss im Mund des Pferdes gut sitzt. Die Schaumbildung wird vor allem durch das Kauen des Pferdes ausgelöst. Das Kauen wiederum aktiviert sämtliche Muskeln im Körper des Pferdes, die mit dem Mund zusammenhängen.
MYTHOS #4: ES GIBT ZU LASCHE GESETZE FÜR FIAKER & KEINE KONTROLLEN.
Wer das glaubt, der irrt! Die Stadt Wien hat weltweit eine der strengsten Tierschutz Gesetze und Auflagen überhaupt und das ist auch gut so. Dadurch wird die faire Behandlung der Pferde und die artgerechte Haltung garantiert.
Natürlich müssen wir an dieser Stelle wieder erwähnen, dass es auch in der Fiakerei, so wie in jeder anderen Branche “schwarze Schafe” gibt, die sich leider nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten – gleichzeitig versichern wir dir, dass solche Fälle auch innerhalb der Fiakerei zur Anzeige Betracht werden. Denn “wer seine Pferde nicht ehrt ist als Fiaker nichts wert” – Punkt aus.
Hier sind einige Beispiele für gesetzliche Bestimmungen, denen man nachkommen muss, sowie Wissenswertes wenn man einen Fiakerbetrieb eröffnen möchte:
• Jedes Pferd muss eine eigene Box besitzen.
• 2 x jährlich gibt es Stallkontrollen – 1 x davon angekündigt und 1 x davon unangekündigt.
• Während der Sommermonate werden die Fiakerpferde in der Innenstadt vom Amtstierarzt ca. 1 x wöchentlich kontrolliert.
• Die Arbeitsverhältnisse der Pferde sind ebenfalls gesetzlich geregelt: 4 Tage die Woche Arbeit, 3 Tage frei.
Natürlich gibt es noch etliche, weitere Gesetze die wahrscheinlich den Rahmen dieses Blogs sprängen würden, daher lassen wir das mal soweit…
Interessant ist vielleicht auch noch eine Statistik der Stadt Wien. Sie zeigt wie viele verurteilte Anzeigen es im Jahr 2018 gegen Fiaker gab:
Man erkennt also ganz deutlich, dass es zum Glück verhältnismäßig wenige Verstöße gegen die Tierschutzgesetze gibt. Allerdings sollten sich vielleicht einige Kutscher nochmal mit der Straßenverkehrsverordnung vertraut machen. Hier fällt der Anteil der Anzeigen schon deutlich größer aus. Zusätzlich gibt es wohl auch einige Branchen-Kollegen, die sich nicht ganz an das Fiaker-Traditions-Gesetz halten. Dieses beschreibt beispielsweise wie ein Fiaker gekleidet sein sollte, wie die Kutschen aussehen sollten etc.
FAZIT
Wenn du diesen Artikel komplett gelesen hast und immer noch der Meinung bist, dass wir Tierquäler sind, dann sei es so und wir akzeptieren das. Denn wir wissen, dass wir es nicht jedem Recht machen können und nur du alleine bist in der Lage, deine Meinung zu einem Thema zu ändern. Wir können nur unsere Ansicht kundtun, gleichzeitig möchten wir auch jedem signalisieren, dass wir immer für den Dialog offen sind. Uns ist ganz wichtig, dass du verstehst, dass die Arbeit mit den Tieren transparent ist und du jederzeit die Möglichkeit hast, dich bei uns zu erkundigen und du deine kritischen Fragen stellen kannst. Du bist auch immer herzlich eingeladen bei uns im Stall vorbeizukommen und bei unserer “Geheimnisse der Fiaker” Tour einen tieferen Einblick in unsere tägliche Arbeit zu werfen.
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