Eine Sache fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wenn ich an den Fiakerstandplätzen aufhalte – die erstaunliche Ruhe, die die Pferde ausstrahlen. Mitten im Trubel stehen die großen Tiere, entspannt und geduldig, warten sie auf die nächste Rundfahrt. Doch gleichzeitig nehmen sie auch aufmerksam ihre Umgebung wahr, schauen neugierig, wenn ihr Kutscher mit frischen Karotten kommt oder wenn die Blaskapelle des Bundespräsidenten zum Staatsbesuch aufspielt. Doch dabei scheinen sie nur in absolut seltenen Fällen nervös oder sogar panisch zu werden.
Es lohnt sich, diesen Fragestellungen mal auf den Grund zu gehen.
Eins vorab: Die Pferde bekommen selbstverständlich keine Beruhigungsmittel – das wird zwar immer mal wieder behauptet, jede Form von „Doping“ (in welche Richtung auch immer) würde bei den regelmäßigen amtstierärztlichen Blutkontrollen durch das Veterinäramt (MA 60) sofort auffallen.
1. Woran erkennt man, dass ein Pferd entspannt ist?
Heute sind nicht mehr viele mit dem Verhalten von Pferden vertraut – man kennt Hunde, die Freude durch Schwanzwedeln ausdrücken und dem Besitzer bei Entspannung den Bauch entgegenstrecken. Pferde tun beides in der Regel nicht. Dennoch zeigen sie Entspannung, Aufmerksamkeit und Freude bei der Arbeit durch körperliche und geistige Merkmale durchaus deutlich.
Wichtig dabei ist, dass die Kutscher nicht nur 2-3 Stunden mit ihren Pferden verbringen, sondern den ganzen Tag– umso besser kennen sie die individuellen Feinheiten im Verhalten ihrer Tiere und wissen entsprechend, wie ihre Pferde in bestimmten Situationen reagieren.
Wir gehen hier nur auf die deutlichsten Anzeichen für ein ruhiges und ausgeglichenes Gespann ein.
Dösen - Hängender Kopf und das sogenannte „Schildern“
Ein Verhalten, das die Fiakerpferde relativ häufig zeigen und das oft für Irritationen sorgt, ist eigentlich ein Zeichen tiefster Entspannung, denn die Pferde dösen. Das hört sich erst einmal für den Laien ein bisschen seltsam an. Pferde jedoch tun das in ihnen sehr vertrauten Situationen – also auch an den Standplätzen in der Innenstadt. Deshalb sollte man auch IMMER den Kutscher fragen, bevor man ein Pferd streichelt – weil wer mag schon mitten im Schlaf von Fremden angefasst werden. Die meisten Pferde werden zwar nicht beißen – aber schließlich lernt man auch bei Hunden, dass man immer vorher fragt.
Ein Zeichen dafür, dass ein Pferd gerade entspannt döst, ist ein abgeknickter Hinterbein. Viele, die das nicht kennen, vermuten zunächst einmal Gelenkprobleme – doch das Pferd ist selbstredend kerngesund. Dieses Verhalten bezeichnet man als „Schildern“ und ist generell ein Zeichen dafür, dass das Pferd gerade in einem ruhigen und entspannten Zustand ist. Denn durch diese spezielle Haltung und dank gewissen anatomischen Vorraussetzungen muss das Pferd keine Muskeln beim stehen nutzen.
Doppeltes Schildern – heißt ein entspanntes Paar
Häufig schauen die Pferde dabei noch „traurig“, lassen den Kopf und zusätzlich oft auch noch die Unterlippe hängen. Bei Menschen würde man schließlich sagen „Lass den Kopf nicht hängen“ und ihn trösten. Bei Pferden deutet dieses Verhalten jedoch nur darauf hin, dass die Tiere grade ein kleines Päuschen einlegen.
Pausenmodus am Wiener Stephansplatz
2. Positives Verhalten, das für ein ausgeglichenes Pferdeleben spricht vertrauter Umgang zwischen Kutscher und Pferd
Das ist das wichtigste für ein ausgeglichenes Gespann – zu dem ja nicht nur zwei Pferde, sondern auch ein Mensch gehört. Daher ist es auch wichtig, nicht nur zu schauen, wie der Kutscher mit den Pferden umgeht, sondern auch darauf, wie die Tiere darauf reagieren.
Manche Tiere erkennen beispielsweise schon am Schritt des von hinten kommenden Kutschers, dass es gleich einen kleinen Snack gibt. Auch in der Ruhe beim Ablauf alltäglicher Routinen beobachten kann, spürt man sofort, dass das Tier mit seinem Alltag ganz wunderbar zurechtkommt.
Mit einer sanften Handbewegung sorgt der Kutscher bei seinem Pferd Ruhe
Besonders routinierte Pferde kennen sogar ihre täglichen Fahrstrecken so gut, dass der Kutscher kaum eingreifen muss. Da sie an den Verkehr gut gewöhnt sind und ihrem Kutscher vertrauen, lassen sie sich weder durch ein folgendes Taxi noch durch Straßenbahnen oder andere Alltagssituationen aus der Ruhe bringen.
Neugierige Reaktion auf die Umgebung
Nun, zunächst einmal sind die Pferde ganz unterschiedlich im Charakter – eigentlich ähnlich wie wir Menschen. Nicht jeder reagiert gleich neugierig, wenn irgendwas nicht ganz Alltägliches im Umfeld passiert... Gerade die nicht ganz so erfahrenen Pferde reagieren vielleicht ein bisschen intensiver, wenn eine Blaskapelle vorbeiläuft oder eine Fotografin mit der Kamera vor einem steht als die alten Hasen.
„Ah, cool – ne Kamera!“ Aufmerksam und entspannt werde ich mit meiner Kamera beobachtet...
Eins kann man den Fiakerpferden sicherlich nicht ankreiden – sie sind alles andere als durch die Hektik abgestumpft. Ganz im Gegenteil – sie nehmen ihre Umgebung aufmerksam wahr – sie nehmen nur viele Dinge, die sie ganz einfach schon kennen, nicht als Fluchtimpuls wahr und lassen sich weit weniger leicht aus der Ruhe bringen, als das ein Pferdelaie vielleicht erwarten würde. Schließlich handelt es sich bei den Wiener Fiakerpferden weder um Tiere, die das erste Mal eine Straßenbahn sehen, noch um wildlebende Mustangs. Sie sind schon in einem menschlichen Umfeld groß geworden und haben gelernt, mit dem Alltag in der Stadt gut umzugehen.
Und wenn sie verunsichert sind, haben sie noch immer den Kutscher, von dem sie sich ruhig durch die Situation führen lassen – so zumindest sollte es bei einer vorbildlichen Ausbildung der Pferde und Kutscher sein.
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